“Etwas auf dem Kerbholz haben”

Woher kommt das Sprichwort „Etwas auf dem Kerbholz haben“?

Sprichwörter überdauern die Zeit. So hat der Ausspruch „Etwas auf dem Kerbholz haben“ auch heute noch die Bedeutung „sich etwas zu Schulden kommen lassen“ für uns. Doch woher kommt diese Redewendung? Die Antwort darauf führt uns ins Mittelalter, in eine Zeit, in der viele Menschen weder lesen noch schreiben konnten und Schulden oft auf ganz andere Weise dokumentiert wurden als heute.

Ursprung im Mittelalter

Das Kerbholz oder der Kerbstock war im Mittelalter ein weit verbreitetes Hilfsmittel zur Buchführung. Besonders im 10. bis 12. Jahrhundert, als Europa weitgehend schreibunkundig und bargeldarm war, nutzte man dieses System, um Schuldverhältnisse fälschungssicher festzuhalten. Händler, Bauern und sogar Steuereintreiber verwendeten Kerbhölzer, um Mengenangaben, Abgaben oder offene Zahlungen zu dokumentieren. Durch die einfache und sichere Art der Aufzeichnung war es nahezu unmöglich, die Buchführung im Nachhinein zu manipulieren.

Was ist ein Kerbholz?

Ein Kerbholz war ein längliches Holzstück, auf dem Markierungen eingeritzt wurden. Jede Kerbe entsprach einer bestimmten Schuld oder Abgabe. Nach der Markierung wurde das Holzstück der Länge nach gespalten, sodass sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner eine identische Hälfte besaßen. Nur wenn beide Teile exakt zusammenpassten, konnte bewiesen werden, dass die Aufzeichnung korrekt war und nicht nachträglich verändert wurde.

Zahltag – Die Begleichung der Schulden

Am vereinbarten Zahltag wurden beide Hälften des Kerbholzes erneut aneinandergelegt. Stimmten die Kerben überein, war klar, dass die Forderung berechtigt war. Erst nach der Begleichung der Schuld konnte das Kerbholz entsorgt oder für neue Einträge genutzt werden. Wer also viele Kerben auf seinem Holzstück hatte, galt als jemand, der viele Schulden oder Vergehen angesammelt hatte – und genau daraus entstand die heutige Bedeutung des Sprichworts.

Das Kerbholz in der modernen Sprache

Auch wenn das Kerbholz als Buchhaltungsmethode längst durch Papier, digitale Dokumente und Banken ersetzt wurde, lebt es in unserer Sprache weiter. Heute wird der Ausdruck „etwas auf dem Kerbholz haben“ meist im übertragenen Sinne genutzt – es bedeutet, dass jemand nicht ganz unschuldig ist oder sich moralische oder rechtliche Fehltritte geleistet hat. Dabei schwingt oft ein humorvoller oder augenzwinkernder Unterton mit, insbesondere wenn es um kleinere Vergehen oder Schelmereien geht.

Fazit

Das Sprichwort „Etwas auf dem Kerbholz haben“ ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie althergebrachte Methoden des Alltagslebens noch heute in unserer Sprache nachklingen. Es erinnert uns daran, dass Schuld und Sühne schon vor Jahrhunderten klar dokumentiert wurden – ganz ohne digitale Konten oder Verträge, sondern einfach mit einem Stück Holz und ein paar Kerben.

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Kerbholz zugeschnitten